Theodor Eichberger (1835-1917)


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Der Arzt

(1. Fortsetzung)

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Albert, der seit von Herrn Hübners Tochter die Sprache gewesen war, mit der größten Spannung zugehört hatte, wurde bei der letzten Nachricht wie gelähmt; seine Züge wurden noch ernster und blasser und ließen deutlich die heftigen Qualen seines Inneren sehen. In den schönen, sonst so kühn blitzenden Augen zeigten sich einige Thränen, während er das gesenkte Haupt auf beide Hände stützte.

Dem gegenüber sitzenden Freund, Buchhalter Klima, war keine dieser Regungen entgangen und er schien zu ahnen, was in Alberts Brust vorging, und glaubte auch den Schlüssel zu dem Geheimniß seiner Leiden, das ihm derselbe noch nie verrathen wollte, gefunden zu haben. Er sagte deßhalb, die Augen auf Albert gerichtet, um ihn zu beruhigen:

"Nun es wird eben doch so schlimm nicht sein und die Krankheit vielleicht durch eine bedeutende Krisis gehoben werden; denn wenn das Fieber seinen Höhepunkt erreicht hat, und die Natur durch eine gewaltige Krisis glücklich in den natürlichen Gang zurück gebracht wird, so geht sie dann einer sicheren Heilung entgegen. Uebrigens ist es gar nicht in der Ordnung, daß wir uns darüber aufhalten und gar Witze reißen, denn die Achtung vor dem Prinzipal fordert über diesen Gegenstand anständiges Schweigen."

Die Sprecher, das Recht dieser Rede einsehend, schwiegen betroffen still. Albert sah bei den ersten tröstenden Worten Klima's auf, als er aber dessen scharfen und doch theilnehmenden Blick auf sich gerichtet sah, schlug er erröthet, daß er sich verrathen, die Augen nieder.

Das Ende der Arbeitszeit war gekommen und die beiden Freunde machten wie gewöhnlich, noch einen kleinen Spaziergang, um nach dem schwülen Zimmerdunst die freie heitere Abendluft zu athmen und den, durch die monotone Beschäftigung niedergedrückten Geist durch trauliches Gespräch zu erheitern und erheben. Arm in Arm, wandelten sie durch die belebten Straßen. Albert wurde durch den Anblick des bunten Gewühls, der mitunter höchst drolligen Scenen, sowie durch die witzreichen Erschöpfungen seines Freundes, der alles aufbot, ihn in eine heitere Stimmung zu versetzen, wieder etwas ruhiger und zeigte sogar manchmal ein, von dem gewöhnlichen Ernst abweichendes lächelndes Gesicht. Als sie die frequenten Straßen der Stadt passirt hatten und auf einen weniger besuchten Gang vor derselben kamen, wollte Klima, der bisher noch wenig Ernsthaftes mit dem Freund gesprochen, diese Stille benutzen, um den geheimen Kummer desselben zu erforschen. Wir wissen bereits, welche Beobachtungen er schon gemacht hatte. Nun fiel ihm noch bei, daß Alberts Verstimmung und Traurigkeit seit Mariens, der ältesten Tochter des Kaufmanns, Krankheit sich in ihrer stärksten Macht gezeigt hatte, und er glaubte deßhalb, daß eine geheime, vielleicht hoffnungslose Liebe seinen armen Freund darnieder drücke.

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Theodor Eichberger: Der Arzt. Novelle. (1. Fortsetzung)
In: Mainzer Anzeiger Nr. 98 vom 28. April 1855, S. 389

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