Theodor Eichberger (1835-1917)


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Der Arzt

(17. Fortsetzung)

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"Pah! Keine Komplimente!" fiel Herr Hübner ein. "Der Dank ist einzig auf unserer Seite, da wir ohne Sie schwerlich einen so glücklichen Retter unserer Marie gefunden hätten." Albert verbeugte sich. und der Kaufherr fuhr fort: "Nun lieber Lindloff! wie sind Sie mit Doktor Vaage zurecht gekommen?"

"Er behandelte mich mit einer Zuvorkommenheit, wie ich sie kaum verdient habe und machte mir, zu meiner Genugthuung wie er sagte, den Vorschlag: ich solle als praktischer Arzt auftreten und gleich eine große Anzahl seiner Patienten, wo er mich empfehlen werde, übernehmen, damit er, wie es schon lange sein Wunsch sei, mehr die Ruhe, welche seiner Korpulenz wegen nöthig wäre, genießen könne."

"Das haben Sie doch angenommen?" fragte Herr Hübner rasch.

"Ich bat mir Bedenkzeit aus und bin ja auch noch in Ihren Diensten."

"Ah was!" fiel der Kaufherr unwillig ein. "Sie werden doch nicht gar mir zu Gefallen noch länger ein unbedeutender Clerc bleiben wollen, da Sie so schöne Gelegenheit haben, in Ihr eigentliches Fach zu treten. Ich wundere mich nur, daß Sie so lange bei dieser geisttödtenden Beschäftigung ausgehalten haben." Herr Hübner besann sich eine Weile und fuhr dann wieder fort: "Ich will Ihnen auch einen Vorschlag machen; hören Sie an: Sie bleiben bei uns bis Ende des Monats, aber als Gast, und dann treten Sie die Stelle als Arzt an. Wenn Sie nun Arzt sind, können Sie nicht wohnen wie bisher; deßhalb lasse ich den linken Flügel meines Hauses, welcher doch leer sie steht, ordentlich, bequem herrichten und Sie beziehen ihn, sobald die Einrichtungen getroffen sind. Bis dahin werden Sie die Güte haben, auf die vollständige Genesung meiner lieben Marie zu achten, da das Fieber gern repetirt und uns durch Ihre werthe Gesellschaft täglich beehren. Aber nur keine Entschuldigungen, lieber Herr Lindloff, denn wir sind Ihnen zu sehr zu Dank verpflichtet und Sie werden uns den Gefallen erweisen, diese kleine Anerkennung anzunehmen. - Nicht wahr, ihr Kinder, Herr Lindloff soll bei uns bleiben!"

"Ja, lieber Vater!" antwortete Marie mit freudig verschämtem Lächeln, "Herr Lindloff wird uns das Vergnügen seiner Gesellschaft gewähren. Welches schöne Leben werden wir haben, wenn unsere Familie durch meinen gütigen Lebensretter bereichert ist."

Albert war zu glücklich, um gleich Worte zu finden: so viele Seligkeit von so guten Menschen hatte er noch nie gekostet. Hätte es auch sein männlicher Stolz nicht zugelassen, das Anerbieten hinsichtlich der Wohnung, welche freilich nöthig und für seine beschränkten Verhältnisse schwer zu erlangen gewesen wäre, anzunehmen, so konnte er doch die freundlich schonende Weise des Alten und das ungeheuchelte, herzliche Bitten Mariens nicht abweisen. Deßhalb sagte er gerührt: "Mein Herz ist voll von Dank und Seligkeit! Ich will Alles ohne Einwand annehmen und Ihrem Rath, bester Herr Hübner, als dem eines wohlwollenden Mannes, wie ein Sohn folgen. Das Einzige, was mich zurück gehalten hätte, die Doctorstelle anzunehmen, wäre gewesen: ohne den Kreis Ihrer edlen Familie leben zu müssen. Da Sie mich nun mit so großer Güte aufnehmen wollen, so bin ich der Glücklichste der Menschen!"

"Schön! Schön!" riefen Alle, und der Vater schüttelte ihm herzlich die Hand.

"Nun, Louise! wirst Du auch drüben in den Zimmern Alles in Ordnung bringen lassen und recht hübsch und nett," sagte Herr Hübner seelenvergnügt.

"O, es soll Alles sehr schön werden!" antwortete diese muthwillig. "Mariechen muß alle Tage nachsehen, weil sie besser versteht, die Sachen hübsch zu ordnen. Dafür kann ich besser mit den Blumen umgehen und ich werde die Fenster immer mit meinen schönsten, die ich selbst im Garten ziehe, schmücken. Ich bin nur froh, daß mein Schwesterchen fortan gesund bleiben wird, wenn ein so galanter Herr Doktor im Hause ist. Dabei kann ich mich auch etwas im Herrichten einer Wohnung üben, damit ich später Kenntniß darin habe, wenn ich Mariechens Ausstaffirung besorgen muß. Es ist recht schade, daß nicht für zwei Leute eingerichtet wird!"

"Du bist ein muthwilliges Kind," sagte Herr Hübner, während Albert und Marie vor sich hin blickten.

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Theodor Eichberger: Der Arzt. Novelle. (17. Fortsetzung)
In: Mainzer Anzeiger Nr. 116 vom 20. Mai 1855, S. 460-461

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