Theodor Eichberger (1835-1917)


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Der Wucherer,

sein Knabe und der Zeitgeist.

Ein Gedicht für die Gegenwart von Th. E--r.

In reicher Fülle prangen Flur und Feld,
Und Baum und Garbe künden Gottes Segen;
Doch schwerer Donner krachet und zerschellt
Die reiche Ernt' mit scharfem Hagelregen.
Ein Wuchrer eilt voll Angst, vom Blitz erhellt,
Mit seinem Kind' zur Stadt auf nahen Wegen.
Es scheint, als fürcht' er, des Gewitters Wettern
Mög' ihm das fluchbeladne Haupt zerschmettern.

*        *        *

Knabe.
Ach Vater, o hör! wie es donnert und kracht,
Wie hüllt sich der Himmel in finstere Nacht! -
O komm, laß uns eilen! - welch' Hagelgetös!
Der liebe Gott zürnt auf die Menschen so bös.
- O sieh doch! die Felder, die Obstbäume hier
Vernichtet der Blitz mit gefräßiger Gier.
Ach traurig! Den Leuten, wo dieses gehört:
Wie werden sie jammern, wenn Alles zerstört!

Wucherer.
Still, einfält'ger Bube! Der Hagel ist gut! -
- Ach, wären wir doch unter sicherer Hut. -
Das Hageln? hei hei! ist recht lustig und froh,
Das macht aus den Garben gedroschenes Stroh.
Der Hagel der bringet das Korn - - Jesus Christ!
Wie doch der Donner so schauerlich ist!--
Der bringet das Korn in dem Preise recht hoch
Und zwicket gar Vielen im Beutel ein Loch.
Fürwahr, das ist lustig! an Frucht gibt's viel Noth
Und bringet wohl zum Gulden den kleinen Laib Brod.
Ja, das ist ein Glück! ist uns Wuchrern ein Sporn,
Und zahlt uns mit Gold unsre Vorräthe Korn.
Schon hör' ich's schön klingen das herrliche Geld --
Komm Bube, komm lauf! - Was der Donner doch gellt.

Knabe.
Mein Vater, sieh dort doch die Leut' in der Ferne,
Vom gräßlich hellleuchtenden Blitze erhellt;
Sie knieen, sie beten und jammern! Wie gerne
Möcht' tröstend ich helfen mit unserem Geld.-
Wie muß es doch so bitter sein,
Der Ernte Segen und Gedeih'n,
Die Frucht sovieler harten Plage
An einem einz'gen schweren Tage
So schmerzlich zu zerstören sehen!
Und für die Noth, die vielen Wehen,
Die herrliche Ernte, die Lindrung könnt' schaffen,
So seh'n von dem gräßlichen Hagel wegraffen.

Wucherer.
Was geh'n uns die Armen, die Menschen, denn an?
Merk', Bube, den Spruch dir doch: „Selbst ist der Mann!“ br>Und was man durch Sinnen und Handeln gewinnt,
Das ist wohl erworben für Vater und Kind.
- Sieh'! Wollt' man so ängstlich nach Anderen fragen,
Man könnte selbst darben mit hungrigem Magen;
So aber ist man sein gescheidt in der Welt
Und füllt sich die Kasten mit blinkendem Geld.

Knabe.
Sag' Vater! Das Geld ist doch todtes Metall!
Nur gütiges Wohlthun beglückt ja das All.
Und Christus, der Herr, hat doch selber gelehrt:
Daß Mitleid für arme den Himmel bescheert;
Daß der, der den darbenden Gutes gethan - -

Wucherer.
Schweig', faselndes Kind, was geht Christus mich an!
Die Possen und Mährchen sind längst schon vergangen,
Vergessen, sie bringen kein Nutz' in die Welt;
Das einzige Streben, das beste Verlangen
War stets und ist immer und bleibet - nur Geld!
- - Halt Knabe! Sieh dort an dem finsteren Wald!
Was regt und bewegt sich für dunkle Gestalt?
Sie nähert sich langsam! Sie kömmt auf uns zu -
Es wird doch kein Räuber sein? - Knabe, geh' du -
Geh' du doch voraus! - Wie mich das doch erschreckt,
Ach hätt' ich mein Geld nur im Stiefel versteckt.

Knabe.
Es scheint mir ein Bettler, ein hülfloser Mann,
Er strecket die Hand - spricht um Almosen an.
O Gott, wie erbärmlich! Die Kleider zerlumpt,
Das Antlitz vom Hunger verbleicht und verschrumpft,
Mit nackenden blutenden Füßen - o Graus!
Mein Vater, o theil' ihm ein Almosen aus!

*        *        *

In eines Bettlers rührender Gestalt
Wankt vor den Wuchrer, schwach, gestützt auf Krücken,
Der Zeiten Geist; verkümmert, hager, alt,
In dürft'gen Lumpen, gramgebeugtem Rücken,
Den blutend peitscht der Hagel eisigkalt.
Er spricht ihn an, mit bittend trüben Blicken.
Nur prüfen soll er, selbst von Gott erküret,
Ob Noth und Armuth noch den Wuchrer rühret.

*        *        *

Zeitgeist.
Sieh, reicher, begüterter Mann, meine Noth!
O schenke mir doch für ein klein Stückchen Brod,
Sonst muß ich vor Hunger, vor Elend und Harm
In Schmerzen hier sterben! - O Reicher, erbarm'!
Erbarme dich meiner - die Spende, die du
Mir theilest, sie schafft dir ein Herz voller Ruh'.

Wucherer.
Was? ich ein reicher Mann? Du Schuft!
Ei lägst du in der tiefsten Gruft. -
Bin arm wie eine Kirchenmaus,
Kein Heller ist in meinem Haus.
Von mir wagst du was zu begehren?
Marsch! Laß dich fort zum Teufel scheeren.

Knabe.
O Vater! Sieh die Noth, den Schmerz!
Und hab' doch hier ein menschlich' Herz.

Wucherer.
Hab' nichts an Gauner wegzuschenken!
Mag Jeder an sich selber denken.
Weg, fauler Tagdieb! Fort von hier!
Laß mich in Ruhe, sag' ich dir.

*        *        *

So sehr ist schon des Wuchrers Herz versteint,
Daß ihn nicht rührt des armen Bettlers Blöße. -
In heil'gem Zorne plötzlich doch erscheint
Der Geist, statt Bettler, in allmächt'ger Größe;
Ein Flammenbild, deß Aetherglanz, vereint
Mit Gottes Blitz, ein Schreckbild für das Böse.
Und schwarze Nacht, mit dumpfen Donners Rollen,
Bezeuget selbst der Geister heilig Grollen.

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Theodor Eichberger: Der Wucherer, sein Knabe und der Zeitgeist.
In: Mainzer Anzeiger Nr. 200 vom 30. August 1855, S. 774-775

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