Theodor Eichberger (1835-1917)


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Der Wucherer,

sein Knabe und der Zeitgeist.

(Fortsetzung)

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Zeitgeist.
Ha, Scheusal du! in Menschgestalt,
Zerfließ' vor Gottes Allgewalt!
Vor mir, der seinen Namen preißt,
Dem ewig mächt'gen Zeitengeist!
Vor mir, von dessen strahlend Haupt
Du frech der Menschheit Kranz geraubt;
So daß die Zeit, die dich gekannt,
Der Nachwelt wird mit Fluch genannt.
- Du Mensch, der stammt von Gottes Licht,
Begreifst du deine Unthat nicht?
- Der Elternmord ist gräßlich doch?
Doch Volkesmord viel schwerer noch!
- Wohl grausig schändlich abgefeimt.
Ist der, der seinen treuen Freund
An die entmenschte Brust noch drückt,
Und, hinterrücks den Dolch gezückt,
Mit teuflisch schadenfroher Lust
Ihn stößt in dieses Freundes Brust:
Doch dieses ist nur eines Mord!
Der Wuchrer zehret immerfort
Vom Blut der Armuth - Volkesnoth,
Und sä't Verderben, Hungertod.
- wer frevelhaft und ungerührt
Die Unschuld in's Verderben führt,
Und teuflisch von der Jungfrau Haupt
Den heil'gen Kranz der Myrthe raubt -
Der ist ein Teufel, lästerreich!
Doch einem kommt er lang nicht gleich:
Dies ist des Wuchers schleichend Gift,
Das auch das Herz der Unschuld trifft,
Und, säend Armuth weit und breit
Sie schrecklich dem Verderben weiht;
Wo Noth die Herzen übermannt,
Zerreißet jedes heil'ge Band,
Da hält der Armuth schwerer Fluch
Das Land gebannt im Leichentuch! -
- Der Laster scheußlichstes hegst du,
Du! Wuchrer, starr wie Eisesruh',
In deiner teuflisch schlechten Brust;
Und freust mit schändlich froher Lust
Dich an der Elemente Wuth,
An Armuth, Noth und Volkesblut!
- Erkenn' in dieses Sturmes Wüthen
Den Geist, den ew'gen, nimmermüden;
Fall' nieder! vor des Gottes Wehen!
Deß ew'ges Sein und fortbestehen -
Die kleinste Kreatur erkennt!
Und den der Mensch gern „Vater“ nennt. -
- Jetzt hör', du armer Menschheit Fluch,
Des ew'gen Schicksals hohen Spruch:

„Im Leben wird dich Gott nicht strafen;
Nur blinder Zufall ist es meist,
Was Völkermörder, Lastersclaven
Ins schreckliche Verderben reißt.

„Sogar das Laster, es darf leben!
Gott greift nicht in des Schicksals Hand;
Der Mensch ist frei! nun mag er streben
Nach edlem Ziel - nach eitlem Tand.

„Nur wenn des Lebens Licht verglommen,
Das Auge bricht in mattem Schein:
Dann wird's dem Guten froh willkommen,
Dem Bösen gräßlich qualvoll sein.

„Drum darf sogar der Armen Mörder,
Der Wuchrer, zieh'n die Lebensbahn;
Doch nach dem Tode um so härter
Trifft ihn, was er der Welt gethan:

„Ihm bleibt; der Geister selig Leben -
Verschlossen - ewig! - unbekannt.
Verflucht ist er, sein ganzes Streben,
Mit schwerer Qual zur Erd' gebannt!

„Hier sei er ewig ohne Säumen,
Stets irrend - weder Mensch noch Geist! -
In grauenvollen schweren Träumen
Der andern Wuchrer Plagegeist! -

„Stets soll des Durstes Qual er fühlen;
Der Hunger sein Begleiter sein;
Der Geiz sein ganzes Selbst zerwühlen,
Des Neid's, der Habsucht Höllenpein!

„Bei jedem reichen üpp'gen Schmause
Sei er im Hunger - ungesehn -;
Wo Glück und Wohlstand nur zu Hause,
Zerfleisch ihn Neid wie Sturmeswehn.

„Und das, wonach er stets im Leben
Gewuchert, ohne Ruh' und Rast,
Es sei ihm auch im Tod gegeben:
Das Gold! in schwerer Zentnerlast.

„Dabei soll stets des Argwohn's Wüthen
Ihn halten nach dem Golde wach;
Mit Argusaugen muß er's hüten -
Bei jedem Lüftchen zucken jach.

„So soll er ewig, ewig! irren
Als schrecklich schwerer Schicksalsfluch,
Wie Nachtgeflügels-Eulenschwirren -
Mit Gott und Welt und Geist im Bruch'!“

*        *        *

Die Luft ist dumpf und schwül. - Es schweigt der Geist.
Der Wuchrer krümmt sich wie ein Wurm zur Erde;
Die wilde Gluth, so ihm das Hirn durchkreist,
Malt ihm die That in gräßlichster Geberde;
Er wähnt voll Qual, die seine Brust zerreißt -
Mit Reue peitscht, daß er vernichtet werde. -
Doch ohne Furcht, der Tugend Gottesspende,
Kniet still sein Kind und faltet fromm die Hände.

*        *        *

Wucherer.
Genug! O Erbarmen! schon fühl ich die Gluth
Den Busen mir schrecklich durchziehen!

Knabe.
O Gnade, Allmächt'ger! Ich bin ja sein Blut -
Laß betend, vertrauend mich knieen.
O Herr! der auf uns niederschaut,
Vernimm des Kindes schwachen Laut!
Laß meine Stimme zu dir dringen
Und nimm's für eines Glöckleins Klingen:
O laß' meinen Vater, vom Wahne gejagt,
Nicht schrecklich verderben in ewiger Nacht;
Schenke, o! was seiner Seele gebricht,
Schenk' einen Strahl von dem göttlichen Licht';
Läutre sein Herz, du! mit heiliger Gluth,
Mache warm fühlend das stockende Blut.
Schon zog ja die Reue, die schmerzliche ein -
O Herr, Gott! Erbarme, erbarme dich sein!

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Theodor Eichberger: Der Wucherer, sein Knabe und der Zeitgeist. (Fortsetzung)
In: Mainzer Anzeiger Nr. 201 vom 31. August 1855, S. 778-779

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