Der Wucherer,
sein Knabe und der Zeitgeist.
(Fortsetzung)
Zeitgeist.
Ha, Scheusal du! in Menschgestalt,
Zerfließ'
vor Gottes Allgewalt!
Vor mir, der seinen Namen preißt,
Dem ewig
mächt'gen Zeitengeist!
Vor mir, von dessen strahlend Haupt
Du
frech der Menschheit Kranz geraubt;
So daß die Zeit, die dich gekannt,
Der Nachwelt wird mit Fluch genannt.
- Du Mensch, der stammt von
Gottes Licht,
Begreifst du deine Unthat nicht?
- Der Elternmord
ist gräßlich doch?
Doch Volkesmord viel schwerer noch!
- Wohl
grausig schändlich abgefeimt.
Ist der, der seinen treuen Freund
An die entmenschte Brust noch drückt,
Und, hinterrücks den Dolch
gezückt,
Mit teuflisch schadenfroher Lust
Ihn stößt in dieses
Freundes Brust:
Doch dieses ist nur eines Mord!
Der Wuchrer zehret
immerfort
Vom Blut der Armuth - Volkesnoth,
Und sä't Verderben,
Hungertod.
- wer frevelhaft und ungerührt
Die Unschuld in's Verderben
führt,
Und teuflisch von der Jungfrau Haupt
Den heil'gen Kranz
der Myrthe raubt -
Der ist ein Teufel, lästerreich!
Doch einem
kommt er lang nicht gleich:
Dies ist des Wuchers schleichend Gift,
Das auch das Herz der Unschuld trifft,
Und, säend Armuth weit
und breit
Sie schrecklich dem Verderben weiht;
Wo Noth die Herzen
übermannt,
Zerreißet jedes heil'ge Band,
Da hält der Armuth
schwerer Fluch
Das Land gebannt im Leichentuch! -
- Der Laster
scheußlichstes hegst du,
Du! Wuchrer, starr wie Eisesruh',
In
deiner teuflisch schlechten Brust;
Und freust mit schändlich froher
Lust
Dich an der Elemente Wuth,
An Armuth, Noth und Volkesblut!
-
Erkenn' in dieses Sturmes Wüthen
Den Geist, den ew'gen, nimmermüden;
Fall'
nieder! vor des Gottes Wehen!
Deß ew'ges Sein und fortbestehen -
Die
kleinste Kreatur erkennt!
Und den der Mensch gern „Vater“
nennt. -
- Jetzt hör', du armer Menschheit Fluch,
Des ew'gen Schicksals
hohen Spruch:
„Im Leben wird dich Gott nicht strafen;
Nur blinder Zufall
ist es meist,
Was Völkermörder, Lastersclaven
Ins schreckliche
Verderben reißt.
„Sogar das Laster, es darf leben!
Gott greift nicht in des
Schicksals Hand;
Der Mensch ist frei! nun mag er streben
Nach
edlem Ziel - nach eitlem Tand.
„Nur wenn des Lebens Licht verglommen,
Das Auge bricht in
mattem Schein:
Dann wird's dem Guten froh willkommen,
Dem Bösen
gräßlich qualvoll sein.
„Drum darf sogar der Armen Mörder,
Der Wuchrer, zieh'n die
Lebensbahn;
Doch nach dem Tode um so härter
Trifft ihn, was er
der Welt gethan:
„Ihm bleibt; der Geister selig Leben -
Verschlossen - ewig!
- unbekannt.
Verflucht ist er, sein ganzes Streben,
Mit schwerer
Qual zur Erd' gebannt!
„Hier sei er ewig ohne Säumen,
Stets irrend - weder Mensch
noch Geist! -
In grauenvollen schweren Träumen
Der andern Wuchrer
Plagegeist! -
„Stets soll des Durstes Qual er fühlen;
Der Hunger sein Begleiter
sein;
Der Geiz sein ganzes Selbst zerwühlen,
Des Neid's, der Habsucht
Höllenpein!
„Bei jedem reichen üpp'gen Schmause
Sei er im Hunger - ungesehn
-;
Wo Glück und Wohlstand nur zu Hause,
Zerfleisch ihn Neid wie
Sturmeswehn.
„Und das, wonach er stets im Leben
Gewuchert, ohne Ruh' und
Rast,
Es sei ihm auch im Tod gegeben:
Das Gold! in schwerer Zentnerlast.
„Dabei soll stets des Argwohn's Wüthen
Ihn halten nach dem
Golde wach;
Mit Argusaugen muß er's hüten -
Bei jedem Lüftchen
zucken jach.
„So soll er ewig, ewig! irren
Als schrecklich schwerer Schicksalsfluch,
Wie Nachtgeflügels-Eulenschwirren -
Mit Gott und Welt und Geist im
Bruch'!“
Die Luft ist dumpf und schwül. - Es schweigt der Geist.
Der Wuchrer
krümmt sich wie ein Wurm zur Erde;
Die wilde Gluth, so ihm das Hirn
durchkreist,
Malt ihm die That in gräßlichster Geberde;
Er wähnt
voll Qual, die seine Brust zerreißt -
Mit Reue peitscht, daß er vernichtet
werde. -
Doch ohne Furcht, der Tugend Gottesspende,
Kniet still
sein Kind und faltet fromm die Hände.
Wucherer.
Genug! O Erbarmen! schon
fühl ich die Gluth
Den Busen mir schrecklich durchziehen!
Knabe.
O Gnade, Allmächt'ger! Ich
bin ja sein Blut -
Laß betend, vertrauend mich knieen.
O Herr!
der auf uns niederschaut,
Vernimm des Kindes schwachen Laut!
Laß
meine Stimme zu dir dringen
Und nimm's für eines Glöckleins Klingen:
O
laß' meinen Vater, vom Wahne gejagt,
Nicht schrecklich verderben
in ewiger Nacht;
Schenke, o! was seiner Seele gebricht,
Schenk'
einen Strahl von dem göttlichen Licht';
Läutre sein Herz, du! mit
heiliger Gluth,
Mache warm fühlend das stockende Blut.
Schon zog
ja die Reue, die schmerzliche ein -
O Herr, Gott! Erbarme, erbarme
dich sein!
In: Mainzer Anzeiger Nr. 201 vom 31. August 1855, S. 778-779