Theodor Eichberger (1835-1917)


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Der Wucherer,

sein Knabe und der Zeitgeist.

(Schluß)

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Wucherer.
Ach wehe! wie brennt's mir im Busen so hell!
Ach wehe! wie leuchtet's im Hirne so grell!
Viel bleiche Gestalten
Mit Runzeln und Falten,
Hohläugig und hager,
Verhungert und mager;
Mit Wunden und Beulen,
Mit blutenden Händen:
Sie grinsen und heulen,
Sie drehen und wenden
Und schreien nach mir mit verfluchender Stimm'!
Und packen mich an mit entsetzlichem Grimm',
Und rufen nach Brod - ach! und reißen, o Graus!
Das Herz mir mit glühenden Zangen heraus.
Sie wühlen im Eingeweid' - zerren mich fort:
Allmächtiger Geist, habe Mitleid - ein Wort!
- Ha, wie die Gespenster mir grinsen, mich höhnen -
O sag', wie kann ich Gott und' Geister versöhnen?

*        *        *

Der Wuchrer liegt, von Schmerz und Reu' zerwühlt;
Verzweiflung brennt das Mark aus seinen Knochen -
Verblendung war's, die ihn gefesselt hielt;
Nun wird sie durch den innren Schmerz gerochen.
So wie ein Mörder nach der That, so fühlt
Er jetzt was er an Menschen schwer verbrochen.
Von Allem, was sein Gold ihm vorgelogen,
Ist schrecklich kalt der Vorhang weggezogen.

*        *        *

Zeitgeist.
Ist deine Reue wahr und rein,
So wird dir Gott barmherzig sein!
Doch ich kann dir nicht Gnade spenden,
Mein Wirken ist der Welt - der Zeit:
Empfange sie aus Gottes Händen,
Dem Vater der Barmherzigkeit:,
Zu ihm! zu ihm mußt du dich wenden -
Dem Herrn, der in dem All gebeut. -
Doch nicht mit Worten, nein! mit Thaten
Mußt du dich deiner Schuld entladen.
Zieh' hin! benütz' die Spanne leben,
Die Gott dir gütig zugeheilt,
Benütze sie zu höherm Streben!
Eh' dich der blasse Tod ereilt.
Zieh' hin die kurze Lebensbahn,
Und jag den unglücksel'gen Wahn,
Der dir in dem Gehirn gelodert,
Daß selbst die Seel' im Körper modert,
Der dir ein falsches Glück gelogen,
So daß dem Geist - von Nacht umzogen -
Mit Recht der ganzen Menschheit Haß,
Selbst Gott den Heiligsten vergaß;
Den Wahn, der wie ein Alp dich drückt,
Und jeden edlen Keim erstickt;
Den Wahn, aus dem ein Teufel lacht:
Daß Gold den Menschen glücklich macht!
- Das wahre Glück der Menschenherzen
Ist Mitleid für der Armuth Schmerzen!
Des Paradieses Himmelslust
Baust du in deiner eignen Brust;
Der segensreichste Herzensfriede
Entsproßt zur reinsten Himmelsblüthe:
Wenn in des Reichen Brust, bewegt,
Ein Herz für arme Menschen schlägt!
- O glaub'! Es quellen heil'ge Wonnen
Aus Gott des Vaters ew'gem Bronnen
Zum Erdenpilger reich hernieder!
Umklingen ihn mit Engelslieder;
Umschweben ihn auf allen Wegen;
Umkränzen ihn mit Gottessegen! -
Soll ich sie nennen, diese Wonnen -
Die fruchtbarer als Weltensonnen?
Es ist des Wohlthuns heilig Wirken
In schwer bedrückten Nothbezirken;
Es ist die feste Willenskraft,
Durch die der Mensch sich Wonnen schafft;
Es sind die Gottverklärten Triebe:
Gefühl für Armuth - Menschenliebe!
- Dem Menschen ward die hohe Pflicht,
Daß er die Noth der Armuth bricht;
Und dem, der diese Pflicht geübet,
Der in den Menschen Brüder liebet:
Dem drücket einst, in sel'ger Ruh',
Ein Engel sanft das Auge zu!
All' andres eitle Goldessinnen
Wird wie ein Staub im Meer zerrinnen,
Wird wie ein Hauch im Wind vergehen:
Doch Mitleid - Tugend bleibt bestehen!
- O glaub'! Ein ewiges Vergelten
Wohnt über diesen Erdenwelten!
Es wohnen jedem Weltverbrecher
Im eignen Herzen mächt'ge Rächer,
Die ihm schon hier in Seelenqualen
Die Zeichen ew'gen Fluches malen..
- Drum; raff', du arg verirrter Mann,
Dich aus des Goldeswahnes Bann;
Ueb' thätig Mitleid an den Armen,
Dann wird sich Gott auch dein erbarmen.
- Zieh' hin! Benütz' des Wuchers Früchte,
Das eingescharrt gestohl'ne Geld,
Gebrauche es zum Wohl der Welt!
Dann wird mit himmlisch mildem Lichte
Die irre Seele aufgehellt;
Dann kannst du wieder Gottes Wesen
Mit Andacht in den Sternen lesen;
Kannst freudig auf zum Himmel schauen
Und auf das Jenseits froh vertrauen.
Und hast du solche Lust genossen,
Dann wirst - was hier dem Blick verschlossen -
Im Jenseits schauen voller Klarheit:
Des ew'gen Gottes heil'ge Wahrheit!
- Laß nimmer dich vom Wahn bethören,
Den heil'gen Glauben nimmer stören:
Ein Gottesgeist durchweht die Welt!
Die Tugend schützt das Sternenzelt!
Und Liebe, Treu', Barmherzigkeit
Sind Preise ihrer Herrlichkeit!
- Zieh' hin! Es steht dir treu zur Seite
Ein Engel, nimm ihn zum Geleite:
Dein Kind, voll Unschuld, gut und rein,
Laß es dein heilig Vorbild sein!
Befolg' der Unschuld Tugendtriebe,
Dann wandelst du den Weg der Liebe!
Den gehe treu, bis du vollendet.
Leb' wohl, mein Auftrag ist geendet.

*        *        *

Wie süßer Rosenduft die Flur durchzieht
Wenn heil'ger Friede auf der Erde waltet,
Wenn mild im Morgenthau die Sonne glüht
Und jede Blume sich dem Licht' entfaltet:
So strömt es wie ein himmlisch hohes Lied
In's Herz des Wuchrers, das vordem erkaltet.
Er faßt sein Kind mit brünstigem Verlangen,
Drückt's an die Brust - küßt liebend ihm die Wangen.

Die Seele strahlt in lichtem Morgenroth;
Er fühlt, geläutert, ihren mächt'gen Willen:
Das heil'ge Werk, so ihm der Geist gebot,
An armer Menschheit treulich zu erfüllen.
In stummer Wonn' erfreut er wieder Gott!
Und reiche Zähren seinem Aug' entquillen. -
Zum Erstenmal' schöpft aus des Kindes Blicken
Der Wuchrer hoher Vaterlust Entzücken.

Verzogen ist des Sturmgewitters Nacht,
Ein sanfter West bewegt des Kornes Wogen.
Und die Natur erglänzt in neuer Pracht,
Der Himmel strahlt, mit lichtem Blau bezogen;
Der Waldessänger muntrer Sang erwacht,
Und hoch erscheint ein Friedens-Regenbogen:
Auf Vater - Kind strahlt er so mild hernieder -
O Wonn'! Der Wuchrer ward zum Menschen wieder!

Theodor Eichberger: Der Wucherer, sein Knabe und der Zeitgeist. (Schluß)
In: Mainzer Anzeiger Nr. 202 vom 1. September 1855, S. 782-783

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