Dem
Herrn Carl Habersack
bei der Uebernahme des Gasthauses "Zum Hirsch"
gewidmet
von den Mitgliedern des "runden Tisches"
Dem neuen Wirth,
der jetzt wird führen
Den edlen Hirsch mit Wein und Bier,
Dem
woll'n wir zu Gemüthe führen
Eindringlich ein paar Worte
hier.
Er hat, was wir ihm gerne danken,
Bei uns sich hoch in Gunst gesetzt;
Denn, statt
zu dienen blos den Kranken,
Bedient
er die Gesunden jetzt!
Und
statt der Tränlein des Pedanten,
Des griesegräm'gen Aesculap,
Zapft
er Gambrinus',
des bekannten,
Und Bachus' edle
Gottesgab!
Er hat wohl die
Chemie studiret
Und auch die Kunst der
Pharmacie,
Doch die
Getränke, die er führet,
Verbess're
diese Kunst uns nie!
Mög er den Trank
uns nie chemieren
Mit Aqua, Sprit und Glycerin;
Ein
Apotheker könnt's probiren,
'nem
braven Wirth kommt's nicht in Sinn.
Was
nützt der goldne Wein im Glase,
Ist er gemacht, so taucht
er nichts;
Weit besser schmeckt er nach dem
Fasse,
Als nach der Apothekerbüchs'!
Bringt
er den Wein uns von der Kelter,
So hat er damit wenig Müh'
Und seine Trinker,
die erhält er
Weit besser als Lakritzenbrüh'!
Das
Bier sei stets ein ächter
Tropfen,
Ein gut Gebräu sei sein Bemüh'n
Es
schmecke nur nach Malz und
Hopfen,
Und nimmermehr nach Medicin!
Der
Trank, den er uns zum kuriren
Nach unserm Wunsche bringen
soll,
Darf niemals die Devise führen:
"Allstündlich einen Löffel voll!"
Nur
Eins erlaubt es ihm, ich denke,
Daß er zum
Apotheker wird;
Wenn er uns unsere Getränke
Recht gut und oftmals repetirt.
Ein
braver Wirth stets gut bestehet,
Stellt er das "Apothekern"
ein;
Die besten Pillen, die er drehet,
Das sollen faule Handkäs' sein;
Oplaten
sind auch nicht von Nöthen,
Die
Pillen schlucken so sich ein!
Und wird
mal was von Teig erbeten,
So mag's ein
Fastenbretzel sein.
Kein Pflaster
braucht er uns zu schmieren,
Denn damit hat es keine
Noth;
Das einz'ge Pflaster, das wir führen,
Ist höchstens nur ein Butterbrod.
Macht
er uns Cottlet's, ist's am besten
Stets ohne
Apothekerg'wicht;
Wir nehmen gern die
allergrößten,
Wir wissen ja, es schadet nicht.
Wir
gebrauchen kein Geschmier von Salben,
Ein gut Stück
Wurst, ein saft'ges Fleisch
Das
mundet besser allenthalben,
Als wie das
Apothekerzeug!
Kein
Süßholz braucht er uns zu schneiden,
Hat er nur
Brennholz, ist's schon gut;
Denn zu
den schönsten Winterfreuden
Gehört die warme Ofenglut.
Und
Morphium, das mag er lassen,
Es soll zum Schlafen
heilsam sein
Wenn ein'ge
Schoppen wir geblasen,
Dann schlafen wir
von selber ein!
Und von den vielen gift'gen
Stoffen,
Wie Herbstzeitlose und
dergleich,
Mach er, wir wollen's gerne hoffen,
Niemals Gebrauch in sei'm Bereich.
Uns braucht
er auch nicht aufzuwarten
Mit bunten
Schachteln, Goldpapier;
Wir brauchen
nur ein Spielchen Karten
Und
einen Würfelbecher hier.
Und
wenn die Häupter mälig
sinken,
Beschwert vom Bier, berauscht vom Wein,
Dann
mög der Sterne freundlich Blinken
Das helle
Brausepulver sein!
Kurzum, die
Büchsen und Retorten
Die
lasse er fortan hinweg;
Für uns genügt mit
wenig Worten
Ein Heber, Trichter, Schoppenblech!
Sollt'
einer etwas schuldig bleiben
Und beim Wirth
in Kreide steh'n,
So mög er's
deutsch und deutlich schreiben,
Dieweil wir kein
Latein versteh'n!
Zur
Oeffnung braucht es keine Mittel,
Da werden wir uns
selbst kurir'n,
Wir werden sein
Abführungsmittel
Schon im Portemonnaie
stets verspürn!
Und sollte dies die
Schwindsucht haben,
Dann ist auch
seine Heilkunst aus,
Denn wir verschmäh'n
dann seine Gaben
Und gehen ganz geleert
nach Haus.
Doch g'nug der Worte, g'nug
der Lehren,
Ergreift die Gläser voller Wein,
Das
Beste, was wir wollen leeren
Das sollen
volle Gläser sein!
Es mög noch manche
schöne Stunde
Und hier versammeln lange Zeit,
Drum
sei auch von der "Tafelrunde"
Dem neuen Wirth ein Hoch geweiht.
Seligenstadt, 30. April 1876
Theodor Eichberger.
Johann Karl Georg (Carl) Habersack (1846-1896) war Apotheker in Rothenbuch (ca 25 km östlich von Aschaffenburg). 1869 heiratete er in Seligenstadt, wo er sich um 1875 niederließ und 1876 offensichtlich das Gasthaus "Zum Hirsch" übernahm; bereits im Jahre 1882 führte er allerdings wieder eine Apotheke. Um 1890 war er Mitbegründer der Aktienbrauerei zu Lohr am Main.*
* Vielen Dank an Ralph Habersack für diese Informationen.
Gedruckter Handzettel, Seligenstadt am Main 1876