Zur Einweihung des Lennebergturms 1880

Auf dem Lenneberg im Gonsenheimer Wald, zwischen Mainz-Gonsenheim und Budenheim, befindet sich ein barocker Aussichtsturm aus dem 19. Jahrhundert, der Lennebergturm. Auf der Plattform des Lennebergturms bietet sich eine gute Aussicht auf den Westrand von Mainz sowie auf das gegenüberliegende Rheinufer mit Wiesbaden, dem Taunus und dem Rheingau. Den Rhein allerdings kann man heute vor lauter Bäumen nicht mehr sehen.
Die Bauzeit dieses Aussichtsturms war eine sehr lange: bereits im Jahre 1820 wurde mit der Erbauung begonnen, doch erst 1880 konnte der Turm fertiggestellt werden.
Am Nachmittag des Sonntag, 26. September 1880, fand die Einweihungsfeier des Turms statt; der Festprolog zur Einweihung des Lennebergturms wurde durch Theodor Eichberger verfasst und vorgetragen.
Bericht aus dem Mainzer Anzeiger zur Einweihungsfeier des Lennebergturms 1880:
Lokales und Provinzielles
Mainz, 27. September
Die gestern stattgehabte Einweihung des Aussichtsthurmes auf dem Leniaberg nahm, begünstigt vom herrlichsten Wetter, einen Verlauf, wie er schöner nicht gedacht werden konnte. Auf allen Wegen, die nach dem Leniaberg führten, strömten fröhliche Menschenkinder schaarenweise herbei, auch unsere Nachbarstädte waren stark vertreten, z.B. Wiesbaden (Mitglieder des Taunusclubs), Frankfurt, Darmstadt, Bingen etc. Gegen 4 Uhr verkündeten Böllerschüsse von den Höhen des Berges herab die Eröffnung der Feier. Nachdem der "Morgengruß," Fanfare aus "Lohengrin," und "Im Wald" aus "Preciosa," vorgetragen von der Kapelle des 118. Inf.-Regts., verklungen waren, wurde durch Herrn Baumeister Berdellé der Thurm an das Comité zur Verschönerung des Leniabergs übergeben, worauf Herr Dr. Prestel in einer schwungreichen Anrede die Übergabe des Thurmes an das Publikum vollzog. Endloser Jubel ertönte nach diesem Akte, welcher durch Aufhissen einer Flagge und durch Böllerschüsse auch der Ferne kundgethan wurde. Alsbald sammelten sich die Sänger auf einer Anhöhe und unter der Direktion des Kapellmeisters Frankenberg kam das prachtvolle Lied "Die Ehre Gottes" von Beethoven unter allgemeinem Beifall zum Vortrag. Der hierauf von Herrn Th. Eichberger verfaßte und gesprochene Festprolog (welchen unser heutiges Blatt im Wortlaute mittheilt) gab abermals Veranlassung, unserem auf dem Gebiet der Volkspoesie längst bekannten Mitbürger lebhafte Ovationen darzubringen. Abwechselnd folgten nun Gesänge und Musikpiecen, Volksspiele wurden arrangirt, Tänze aufgeführt etc. Die zum Vortrag gekommenen Lieder hatten die Herren Reiff, Klingelschmitt und Windecker zu Verfassern. Noch einer kleinen, aber wahrhaft rührenden Scene wollen wir hier gedenken: Im Jahre 1820 wurde der Grundstein zu diesem Aussichtsthurme gelegt und hatten die in den benachbarten Orten wohnenden Steinbruchbesitzer es übernommen, die Steine zur Erbauung des Thurmes unentgeltlich zu liefern. Unter diesen Lieferanten befand sich damals der 20jährige Steinbruchbesitzer Ph. Stamm aus Budenheim und gestern - nach 60 Jahren - hatte es sich der achtzigjährige, noch rüstige Greis, nicht nehmen lassen, bei dem Feste zu erscheinen. Aber das Verdienst des Herrn Stamm ist es, daß er im Laufe dieses Jahres, gerade wie er es vor 60 Jahren gethan hat, ebenso uneigennützig den Transport der Steine nach der Höhe des Leniabergs besorgt hatte. Das Vorstandmitglied Herr Laufs gedachte in warmen Worten der Verdienste dieses Greises um die Erbauung des Aussichtsthurmes; der alte würdige Mann war von dieser Auszeichnung, die ihm so unvermuthet begegnete, derart ergriffen, daß ihm die Thränen über die gefurchten Wangen rollten. - Als die Dunkelheit hereinbrach, wurde der Thurm illuminiert und unter Fackelbeleuchtung und Musikbegleitung trat man den Rückmarsch an. Dieses herrliche Fest wird allen seinen Theilnehmern noch lange in Erinnerung bleiben.
(Mainzer Anzeiger Nr. 227 vom 28. September 1880)
Im Folgenden der Wortlaut des Fest-Prolog zur Einweihung des Lennebergturms:
Fest-Prolog
zur Einweihung des neuen Aussichtsthurmes
auf
dem Leniaberge
Von Theodor Eichberger
Das ist ein fröhlich Leben im duft'gen Fichtenwald!
Bergauf
die Menschen streben vergnüglich, jung und alt;
Sie kommen in hellen
Haufen, sie kommen von weit und breit,
Gefahren und gelaufen zu dieser
Festlichkeit.
Es stehn die Sängerschaaren vereint den Wald entlang,
Das deutsche
Lied zu wahren, zu pflegen den Gesang.
Ein frohes Singen und Klingen
belebt die Waldesruh',
Des Waldes Vöglein singen harmonisch auch
dazu.
Die Turner sind beim Feste - da gibt's der Lust noch mehr!
Im
Moose ruhn die Gäste gemüthlich ringsumher.
Und lieblich sind zu
schauen, wie Jeder gern gesteht,
Die Mädchen und die Frauen - ein
prächt'ges Blumenbeet.
Der Freundschaft Grüße tauschen wir hier mit frohem Sinn;
Die
Fichtenbäume rauschen gar traulich drüber hin.
Die Bäume selbst,
die Alten, die an bemoostem Ast,
Die Schaukeln dürfen halten, sind
stolz auf ihre Last.
Was zog uns heute Alle in tausendfält'ger Zahl,
Mit lust'gem Musikschalle
zum Leniaberg zumal?
Was ist's, das uns in freier Natur verein'gen
läßt,
Ist's eine selt'ne Feier? Ist es ein rhein'sches Fest?
Ja, einer Feier gilt es, so recht voll rhein'scher Lust,
Denn
feierlich erfüllt es und auch mit stolz die Brust
Zu seh'n, wie gegenwärtig
- was wir schon längst ersehnt -
Der Aussichtsthurm jetzt fertig
den Leniaberg verschönt.
Zwar ist er nicht zu schauen wie Babels Thurm, allein
Wir wollten
gar nicht bauen bis in den Himmel hinein,
Hätt' uns als Hauptbeschwerde
auch nicht gefehlt das Geld,
Weil's uns auf dieser Erde noch gar
zu gut gefällt.
Drum bleibt die Sprachverwirrung uns heute auch erspart;
Es hat
vor Babels Irrung die Kasse uns bewahrt!
Drum brauchen wir auch nimmer
verschiedne Wege zu geh'n
Weil wir uns hier noch immer einander gut
verstehn.
Jetzt schaut von grünen Höhen der Thurm in's Land hinein,
Und
fest wird er wohl stehen - wie kann es anders sein?
Hat doch zu seinem
Frommen der Meister Vögler auch
Sich Zeit dazu genommen nach altem
Maurerbrauch.
Auch hat des Himmels Segen den Festen nicht gefehlt,
Denn oftmals
floß der Regen - an Güssen ungezählt.
Wär' so das Geld geflossen,
dann wäre, ohne geprahlt,
Der Thurm, o Festgenossen, schon heute
baar bezahlt.
Doch stört uns dies durchaus nicht, wir freun uns doch mit Fug:
Wir
haben ja die Aussicht! Das ist für jetzt genug.
Das Andre wird sich
geben und 's Schönste bleibt dabei,
Die Aussicht ist ja eben bei
uns noch steuerfrei!
Es werden voll Entzücken die Menschen droben steh'n
Und mit verklärten
Blicken die Herrlichkeit all seh'n:
Den Strom,
so stolz und mächtig, den Taunus, blau und klar;
Den Rheingau, lieblich-prächtig
- ein Hochgenuß fürwahr!
Jetzt gilt's auch, zu gedenken der Herr'n, die man mit Müh'
Das
schöne Werk sah lenken, auf daß der Bau gedieh.
Vor Allem sei dem
"Gründer", Herrn Allendorf gedankt!
Dem Comité nicht minder,
das nie verzagt, gewankt.
Dann sei an dieser Stelle ein warmer Dank gebracht:
Dem Künstler,
Herrn Berdellé, der wohl den Plan erdacht.
Auch jenem, der stets
"Baares" gesammelt des Eifers voll,
Herr Doctor Prestel
war es, gebührt des Dankes Zoll.
Die Herren, die verwalten den Wald als Eigenthum
Des Fonds,
des bekannten, alten, erwarben sich auch Ruhm;
Fünfhundert Mark hat
wahrlich der Fond gespendet blank!
Das ist nicht wunderbarlich -
er hat's ja, Gott sei Dank.
Des Dankes schönste Note nach Darmstadt sei gesandt'
Herrn Wilhelm
Heinrich Rothe, der's in der Fern verstand,
Als Bürger sich zu zeigen,
dem Mainz zu Herzen geht!
"Geht hin und thut desgleichen,"
wie's in der Bibel steht.
Und die da im Vereine entfaltet ihre Kraft
Und wohlgemuth die
Steine zum Bau herbeigeschafft;
Die wacker sich geschwungen, die
lustig musicirt,
Die manches Lied gesungen sei'n dankend aufgeführt
-
So sei denn eingeweihet der neue Aussichtsthurm;
Er stehe, wohl
gefeiet gen Wetter und gen Sturm,
Als Zeichen schönes Sinnes recht
lange, lange Zeit,
Ein Denkmal des Gewinnes der Opferwilligkeit.
Er soll in fernen Jahren noch der Urenkel Schaar
Getreulich offenbaren,
wie manches Fest hier war.*
Und
wenn sich stets auf's Neue die Menschen hier erfreun,
Soll das die
schönste Weihe des Leniathurmes sein!.
Ja herrlich ist's, zu sehen des Rheines Rebenstrand;
Die Thäler
und wald'gen Höhen - ein schön Stück deutsches Land!
Laßt durch den
Wald es tönen, was uns zum Bau bewog:
Dem Vaterland, dem schönen,
ein dreifach donnernd Hoch!
* Was wir hiermit tun :o)