Theodor Eichberger (1835-1917)


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Bericht über die Eröffnungsszene 1890

Das Eröffnungsspiel 1890 wurde beim Mainzer Carneval-Verein auf der ersten Herren-Sitzung am 17. Januar 1890 in der Stadthalle uraufgeführt:

Aus der Narrhalla.

Mainz, 18. Januar

Prinz Carneval zählt zu den höflichsten Fürsten, denn er ließ gestern in der Narrhalla wieder keine Minute auf sich warten. Mit großer Pünktlichkeit, die ja bekanntlich die Höflichkeit der Könige ist, leitete das Orchester unter Baunack's Leitung die erste Sitzung des Mainzer Carneval-Vereins ein. Anfangs schnitten die grausen wolfsschluchtartigen Klänge scharf in's Ohr, aber bald entwickelten sich aus dem musikalischen Chaos harmonische Gebilde und unter majestätischen Posaunenstößen fiel der Vorhang, der bis jetzt das Podium verhüllt hatte.
Ein Ah! der Bewunderung entrang sich dem Munde der 2200 Narrhallesen, welche den Saal füllten. Die Scene versetzte uns an das Ufer Rheins; im Hintergrunde der Dom und der Holzthurm, das Wahrzeichen von Mainz. Die hübsche Decoration fand viele Bewunderer und ihr Schöpfer, Theatermaler Schilling, viel Anerkennung; das närrische Ministerium müßte diesem Schilling eine Rangerhöhung zu Theil werden lassen und ihn mindestens zum Pfund Sterling befördern. Im Vordergrunde der Scene saß auf einem goldenen Stuhle das ewig jugendliche Weib Moguntia (Frau Helzig); ihr zur Seite hatten Platz genommen: Vater Rhein (Herr Hausknecht), Bacchus (Herr Hammer), Merkur (Herr Caesar Ganz) und Gambrinus (Herr Helwig). Gleich aus den ersten Worten der schönen Frau Moguntia, von der Darstellerin glänzend repräsentirt, hören wir, daß es wieder einmal zwischen Philistern und Narrhallesen Zwiespalt und Krakehl gegeben hat. Jene, von denen drei als Sprecher vor Moguntia erschienen sind (die Herren Otto, Brückner und Klingelschmitt), führen Klage gegen den Carneval, der schlagfertig von Stephan (Schneider), Naz (Steigerwald) und dem Bauern (Daub) vertheidigt wird. Da keine Einigung zu erreichen ist, soll der Beweis erbracht werden. Es beginnt das Zeugenverhör. Nach einander erscheinen, von einem Pedell mit oberrheinischem Dialekt ausgerufen: eine Deputation der Mainzer Bäckermeister (die Herren Hensler, Grünewald und Appel), kugelrunde Gestalten (die Bäuch, die Bäuch, die dicke Bäuch), mit allgemeinem Halloh begrüßt, der Restaurator der Stadthalle (Herr Bruch), der Stadtkasse-Einnehmer (W. H. Hilger), Gott Amor (Frl. A. Bohné), ein reizender kleiner Kobold, eine Deputation der Mainzer Wirthe (die Herren Endres, Mondrion und Laubenheimer) mit einem "Bestechungsfäßchen", ein Stadtrath (Herr Thomas) und Lieutnant von Strudelwitz (Herr Grimm), wie die Vorgenannten ein Hauptverehrer des Carnevals, sagt er doch:

Colossales Amüsmang,
Das ist so mein Fall!
Wollt's wär noch einmal so lang
Hier der Carneval!
Drum, Moguntia, halte fort
Fastnacht immerhin,
So was Schneid'ges hat man ja
Selbst nicht in Berlin!

Auch die Deputation der Metzgermeister (die Herren Wills, Zündorf und Bernhard), die nun erscheint, lauterschmucke saubere Gestalten, singt ein lob dem Mainzer Carneval. Die Philister haben diesen so gewichtigen Zeugen nur den Rentner Geizig (Herr Friedsam) gegenüberzustellen. Unter diesen Umständen ist der Ausgang des Gerichts leicht vorauszusehen. Das Urtheil lautet:

Der Carneval soll glorreich tagen
In Mainz mit jedem jungen Jahr!

Die Unruhestifter werden entfernt und Moguntia beschwört den Prinzen Carneval zu erscheinen. Die Hinterwand verschwindet und in überraschender Gruppirung zeigen sich Prinz und Prinzessin Carneval (die Herren Kleinmond und Federhen) dem Narrenvolk, umgeben von ihrem bunten Gefolge und den schwarz befrackten Mitgliedern des Comités. Das Philisterthum ist aufs Neue glänzend besiegt und die Narrheit kann floriren. Einmüthiger Beifall folgte dieser urgelungenen und vortrefflich dargestellten Eröffnungsscene, welche die Narren Präsident Dr. Zuckmayer und Th. Eichberger zu Verfassern hat. Sie wird jedenfalls mehrmals wiederholt werden und ihren Autoren viele Tantiemen - an Beifall abwerfen. [...]

(Mainzer Tagblatt Nr. 18 vom 19. Januar 1890)

Drei Mal wurde die Eröffnungszene wiederholt, auf der 1. und der 2. Damensitzung am 4. und am 11. Februar sowie auf der Fremdensitzung am 9. Februar 1890.


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