Bericht über die Eröffnungsszene 1890
Das Eröffnungsspiel 1890 wurde beim Mainzer Carneval-Verein auf der ersten Herren-Sitzung am 17. Januar 1890 in der Stadthalle uraufgeführt:
Aus der Narrhalla.
Mainz, 18. Januar
Prinz Carneval zählt zu den höflichsten Fürsten, denn er ließ gestern
in der Narrhalla wieder keine Minute auf sich warten. Mit großer Pünktlichkeit,
die ja bekanntlich die Höflichkeit der Könige ist, leitete das Orchester
unter Baunack's Leitung die erste Sitzung des Mainzer Carneval-Vereins ein.
Anfangs schnitten die grausen wolfsschluchtartigen Klänge scharf in's Ohr,
aber bald entwickelten sich aus dem musikalischen Chaos harmonische Gebilde
und unter majestätischen Posaunenstößen fiel der Vorhang, der bis jetzt
das Podium verhüllt hatte.
Ein Ah! der Bewunderung entrang sich dem
Munde der 2200 Narrhallesen, welche den Saal füllten. Die Scene versetzte
uns an das Ufer Rheins; im Hintergrunde der Dom und der Holzthurm, das Wahrzeichen
von Mainz. Die hübsche Decoration fand viele Bewunderer und ihr Schöpfer,
Theatermaler Schilling, viel Anerkennung; das närrische Ministerium müßte
diesem Schilling eine Rangerhöhung zu Theil werden lassen und ihn mindestens
zum Pfund Sterling befördern. Im Vordergrunde der Scene saß auf einem goldenen
Stuhle das ewig jugendliche Weib Moguntia (Frau Helzig); ihr zur Seite hatten
Platz genommen: Vater Rhein (Herr Hausknecht), Bacchus (Herr Hammer), Merkur
(Herr Caesar Ganz) und Gambrinus (Herr Helwig). Gleich aus den ersten Worten
der schönen Frau Moguntia, von der Darstellerin glänzend repräsentirt, hören
wir, daß es wieder einmal zwischen Philistern und Narrhallesen Zwiespalt
und Krakehl gegeben hat. Jene, von denen drei als Sprecher vor Moguntia
erschienen sind (die Herren Otto, Brückner und Klingelschmitt), führen Klage
gegen den Carneval, der schlagfertig von Stephan (Schneider), Naz (Steigerwald)
und dem Bauern (Daub) vertheidigt wird. Da keine Einigung zu erreichen ist,
soll der Beweis erbracht werden. Es beginnt das Zeugenverhör. Nach einander
erscheinen, von einem Pedell mit oberrheinischem Dialekt ausgerufen: eine
Deputation der Mainzer Bäckermeister (die Herren Hensler, Grünewald und
Appel), kugelrunde Gestalten (die Bäuch, die Bäuch, die dicke Bäuch), mit
allgemeinem Halloh begrüßt, der Restaurator der Stadthalle (Herr Bruch),
der Stadtkasse-Einnehmer (W. H. Hilger), Gott Amor (Frl. A. Bohné), ein
reizender kleiner Kobold, eine Deputation der Mainzer Wirthe (die Herren
Endres, Mondrion und Laubenheimer) mit einem "Bestechungsfäßchen",
ein Stadtrath (Herr Thomas) und Lieutnant von Strudelwitz (Herr Grimm),
wie die Vorgenannten ein Hauptverehrer des Carnevals, sagt er doch:
Auch die Deputation der Metzgermeister (die Herren Wills, Zündorf und Bernhard), die nun erscheint, lauterschmucke saubere Gestalten, singt ein lob dem Mainzer Carneval. Die Philister haben diesen so gewichtigen Zeugen nur den Rentner Geizig (Herr Friedsam) gegenüberzustellen. Unter diesen Umständen ist der Ausgang des Gerichts leicht vorauszusehen. Das Urtheil lautet:Colossales Amüsmang,
Das ist so mein Fall!
Wollt's wär noch einmal so lang
Hier der Carneval!
Drum, Moguntia, halte fort
Fastnacht immerhin,
So was Schneid'ges hat man ja
Selbst nicht in Berlin!
Die Unruhestifter werden entfernt und Moguntia beschwört den Prinzen Carneval zu erscheinen. Die Hinterwand verschwindet und in überraschender Gruppirung zeigen sich Prinz und Prinzessin Carneval (die Herren Kleinmond und Federhen) dem Narrenvolk, umgeben von ihrem bunten Gefolge und den schwarz befrackten Mitgliedern des Comités. Das Philisterthum ist aufs Neue glänzend besiegt und die Narrheit kann floriren. Einmüthiger Beifall folgte dieser urgelungenen und vortrefflich dargestellten Eröffnungsscene, welche die Narren Präsident Dr. Zuckmayer und Th. Eichberger zu Verfassern hat. Sie wird jedenfalls mehrmals wiederholt werden und ihren Autoren viele Tantiemen - an Beifall abwerfen. [...]Der Carneval soll glorreich tagen
In Mainz mit jedem jungen Jahr!
(Mainzer Tagblatt Nr. 18 vom 19. Januar 1890)
Drei Mal wurde die Eröffnungszene wiederholt, auf der 1. und der 2. Damensitzung am 4. und am 11. Februar sowie auf der Fremdensitzung am 9. Februar 1890.