Theodor Eichberger (1835-1917)


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Theodor Eichberger: Liebe und Trajekt. Mainzer Lokal-Humoreske.

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II. Das Paradies der Liebe

In der Behausung des behäbigen Schweinemetzgermeisters Hackklotz fand in derselben Woche ein gemüthliches Familienfest statt, denn man feierte die Verlobung der einzigen Tochter, Lorchen, mit Schambes, dem Sohn des biederen Schweinemetzgermeisters Presskopf. Die beiden gediegenen Familien waren längst befreundet, da, wie wir bereits vernommen haben, Herr Hackklotz den jungen Presskopf aus der Taufe gehoben hatte, weshalb auch die zärtlichen Eltern beiderseits den Wünschen der Verliebten aufs liebreichste entgegen kamen.

"Mich freut's, Gevattermann," rief Herr Hackklotz fröhlich," dass es so kumme is; der Schambes is 'n tüchtiger Kerl un gleicht sei'm Petter uffs Hoor, un wer ebbes gege'n sage dhut, den müsst e wild Sau umrenne!"

"Gevattermann," entgegnete enthusiastisch Herr Presskopf, "der Bub hot awwer aach e Glück, dann's Lorche des is e Meedche - Dunnerkeil, wann ich noch emool jung wär, ich wäss nit, was ich dhet!"

Seine würdige Ehehälfte, welche sich mit der Frau Gevatterin angelegentlichst über die Austeuer unterhielt, hatte die letzten Worte gehört; milde unterbrach sie seinen Enthusiasmus, indem sie beruhigend sagte: "O hall dei Maul, du alter Schode!"

Alles war fröhlich und guter Dinge, nur Tante Fränz, eine gesetzte, überreife Jungfrau und Verwandte des Herrn Hackklotz, machte ein verdriessliches Gesicht und seufzte: "O, diese Männer!" Sie war bei Verlobungen immer verdriesslich, weil sie den Pärchen das Glück missgönnte, denn sie hasste die Männer, obgleich ihr dieselben nie etwas gethan hatten. So kann unter Umständen das zärtlichste Gemüth verhärten.

Schambes und Lorchen aber schwelgten im Frühling der Liebe. Er gab dem lieblichen Kind die zärtlichsten Namen und sie hauchte dann, strahlend vor Seligkeit: "Du bist awwer emool e verliebt Oos!" - Das grösste Ereignis des Tages, die Eröffnung der neuen Strassenbrücke 2, ging sogar spurlos an ihnen vorüber. Diese herrliche Brücke wurde jedoch in den lauen Juniabenden ihr Lieblingsspaziergang. Und je öfter sie dahin gingen, desto einsamer wurde es daselbst und schließlich waren sie des Abends nur noch die einzigen Passanten. O wie unendlich glücklich fühlten sie sich, wenn sie so in kindlicher Unschuld ungestört den Mond und die lieben Sternlein beschauen konnten. Sie nannten deshalb ihre schöne vereinsamte Brücke: Das Paradies der Liebe. - Die thörichten Kinder freuten sich in ihrer Herzenseinfalt einer Sache, die ihnen schier zum Verderben gereichen sollte.

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2  Die Straßenbrücke über den Rhein wurde am 30. Mai 1885 eingeweiht.

Theodor Eichberger: Liebe und Trajekt. Mainzer Lokal-Humoreske.
In: Mainzer Fastnachts-Zeitung 1886

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