Theodor Eichberger (1835-1917)


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Theodor Eichberger: Liebe und Trajekt. Mainzer Lokal-Humoreske.

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III. Schicksals Tücke.

Die Wogen der Trajektfrage ging hoch und höher. Durch die provisorische Verlegung des Trajekts 3 vom Fischthor ans eiserne Thor hielten sich die Fischthorsträßer schwer geschädigt, während die Brandplätzer jubilirten. Die ersteren bereiteten deshalb eine Eingabe an die Bürgermeisterei vor, während die letzteren eine Gegenadresse beabsichtigten. Dieser Trajektstreit bildete, wie es bei einer so intelligenten Bürgerschaft nicht anders zu erwarten ist, das allgemeine Wirthshausgespräch. Auch unsere beiden Gevattermänner Hackklotz und Presskopf betheiligten sich am Stammtisch im "Rothen Kopf" 4 eifrigst daran, und sie hatten ein Recht dazu. Befand sich doch die Hackklotz'sche Schweinemetzgerei in der Nähe des Fischthors und das Geschäftslokal Presskopfs in der Brandgegend. Sie waren jetzt also nicht nur Geschäfts-, sondern auch Platz-Concurrenten, beides Eigenschaften, welche der Freundschaft nicht günstig sind. "Ja, am eisern Dhor is eigentlich d' beste Platz for's Trajekt," sagte eben Presskopf sehr gemäßigt.

"Was?" schrie aber sofort Hackklotz. "Mänt m'r, m'r könnt' uns ganz verunjenire? , das gibt's awwer nit. Mir hawwe d' ganze Süd-Oestliche hinnig uns!"

"Das Kreisamt hot awwer die Erlaubnis for's eiserne Dhor gewwe, wo die Disch'sche Bootscher schun flott alle fünf Minute fahre," entgegenete Presskopf überlegen.

Hackklotz schlug jedoch auf den Tisch und schrie noch ärger: "'s Kreisamt? Was will dann's Kreisamt, he? Die Stadtverordnete leide's nit un die wern doch noch Herr sein iwig's städtische Aegethum! Loss nor emool unser Adress uffem Stadthaus sein, was wern do die Disch-Bootcher so geschwind aus 'm Fischthor ritsche müsse, trotz Kreisamt." Und er sprach sich immer mehr in Hitze über das hochlöbliche Kreisamt. - So zweifelt der beschränkte Unterthanenverstand manches Mal an der Weisheit der Obrigkeit, aber das gehört sich nicht.

"Mir dhun awwer aach e Adress for Erhaltung der Bootcher am eisern Dhor einrääche, mir Brandplätzer," sagte da Presskopf auch gereizt.

"Un die unnerschreibst Du?" fragte Hackklotz.

"Warum dann nit? In Geldsache hört die Gemüthlichkeit uff!" - "Gevattermann, sich, wann du das dhust - do gibt's - oh, do gibt's e Unglück!" brauste Hackklotz im höchsten Zorn, trank sein Bier aus und ging heim. Es war an diesem Abend ein Nachtfrost auf ihre Freundschaft gefallen.

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3  Das Trajekt war ein Dampfboot, das 1861-1885 zwischen dem Mainzer Fischtor und Mainz-Kastel verkehrte.

4  Das Brauhaus "Roter Kopf" befand sich in der Mailandsgasse zwischen Rotekopfgasse und Fischergasse.

Theodor Eichberger: Liebe und Trajekt. Mainzer Lokal-Humoreske.
In: Mainzer Fastnachts-Zeitung 1886

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