Mainzer Schwewwel
Am 1. Oktober 1876 erschien erstmals der Mainzer Schwewwel, ein "lyrisch-satyrisch-humoristisch-undsoweiterisches Tageblatt, das alle Wochentag vereint und jeden Sonntag neu erscheint".
Die Beiträge im Mainzer Schwewwel kommentierten auf humorvolle Weise die Ereignisse der Zeit, auf lokaler wie auch auf staats- und weltpolitischer Ebene. Das Wort "Schwewwel" im Namen der Zeitschrift bedeutet im Dialekt nichts anderes als "Schwefel" und steht sinnbildlich für die Schärfe, die ja der Satire meist zueigen ist. Ein Gedicht aus der ersten Nummer der Zeitschrift, Durch's Spundenloch, mit dem der "Schwewwel" sich vorstellt, erläutert das Programm und damit auch den Zeitungskopf des Blattes. Weitere Informationen zu dem Zeitungskopf finden sich unter Bildhauer.
Herausgeber und Verleger des "Schwewwel" waren Theodor Eichberger und Jean Bohne in Mainz. Sie wollten - einem Prospekt zufolge - dem Miss-Stand abhelfen, dass jede Großstadt mindestens ein oder mehrere "Witzblätter" habe, nur Mainz noch nicht; Und Mainz sei mit vier Millionen immerhin auch eine Großstadt. Man bezog sich hierbei allerdings nicht auf die Einwohnerzahl - der Stadtkreis Mainz hatte um 1880 ca. 60.000 Einwohner - sondern auf die vier Millionen Mark ("Gulden"), welche Mainz im Zuge der Stadterweiterung aufwenden musste, um neue Befestigungsanlagen für das Terrain des Gartenfelds zu errichten.
Das menschliche Gehirn treibt, wie bekannt,
in
Stadt und Land,
bei Weisen und Schelmen,
unter Hüten und Helmen,
in
seinen verschiedenen Phasen
manchmal gar wunderliche Blasen.
Darum soll Alles, was in der politischen Atmosphäre,
in
Wissenschaft und Kunst
aufsteigt als Gähre
und blauer Dunst,
den
die Gelehrten vergeblich ergründen,
durch den „Schwewwel“
seine Beleuchtung finden.
Er wird erfassen,
was sich erwischen kann lassen,
weil
er ohne Unterschied
immer auf das loszieht,
was die Zeit ihm
beut
an
Lächerlichkeit.
(Aus der "Abonnements-Einladung" in Heft Nr. 37/1877)
Die Großteil der Beiträge im Mainzer Schwewwel hatte Th. Eichberger, J. Bohne, F. Kötter, J. Schambach, F. Klingelschmitt, W. Windecker, C. L. Volk und O. Mehling zu Verfassern; daneben haben in geringerem Umfang weitere Autoren an dieser Satirezeitschrift mitgewirkt. Hin und wieder wurden auch Glossen, Gedichte oder Rätsel von Lesern aufgenommen. Die Rubrik "Briefkasten" am Ende jeder Ausgabe diente dazu, den Einsendern von Beiträgen zu antworten - manchmal in etwas schroffer Manier.
Der Preis betrug 10 Pfennige für eine Ausgabe; das Abonnement kostete pro Quartal eine Mark frei Haus in Mainz, außerhalb von Mainz bei Bezug per Post 1,25 Mark. Die einzelnen Nummern des "Schwewwel" erschienen regelmäßig Sonntags zwischen dem 1. Oktober 1876 und dem 30. Dezember 1877 in einer wöchentlichen "Auflüge" von anfangs 10.000, ab dem 2. Jahrgang von ironischen 10.001 Stück. Der Druck erfolgte durch die Druckerei des Joseph Gottsleben, der 1854 die Tageszeitung "Mainzer Anzeiger" begründet hatte und diese seitdem verlegte.
Der "Schwewwel" war hauptsächlich in Mainz und Umgebung verbreitet, wurde aber auch an ca. 50 auswärtige Orte im Großherzogtum, im Reich und in der Welt versandt. Dass der Schwewwel auch Abonnenten im Ausland hatte, belegt das "Sonett" im Beiblatt zu Heft 23/1877 des Lesers J. Mehn aus Birmingham.
Vom ersten bis zur letzten Heft hatte jede Ausgabe des Blattes einen Umfang von vier Seiten und bestand aus einem einmal gefalteten halben Zeitungsbogen. Im März 1877 wurde das "Beiblatt zum Mainzer Schwewwel" eingeführt, in dem neben "gemüthlicher Unterhaltung" nun erstmals "Anzeigen aller Art" veröffentlicht wurden. Das Beiblatt hatte zu Beginn ebenfalls vier Seiten und enthielt neben weiteren Gedichten mehrteilige Humoresken und Novellen. Ab Heft Nr. 30 vom 29. Juli 1877 bestand das Beiblatt nur noch 2 Seiten bzw. einem Viertelbogen.
Die Geschäftsräume des Mainzer Schwewwel - Redaktionsbüro, Verlag und Expedition - befanden sich in der Quintinsstraße 10 und waren zwischen Donnerstag Nachmittag 14 Uhr und Sonntag Mittag besetzt. Hieraus ist zu entnehmen, dass Theodor Eichberger als Redakteur jeden Donnerstag vormittag von Seligenstadt nach Mainz reiste, wo er den neuesten "Schwewwel" zusammenstellte und Anzeigen für die nächste Ausgabe entgegennahm; Sonntag nachmittags ist er dann mit einem frischgedruckten Exemplar des Mainzer Schwewwel wieder per Eisenbahn nach Seligenstadt gefahren. Dass er die Eisenbahn gut kannte, das zeigen seine Glossen über dieses Verkehrsmittel.
Nach nur 15 Monaten seines Erscheinens wurde der "Mainzer Schwewwel" zum Ende des Jahres 1877 eingestellt. Der Grund für die Einstellung des Schwewwel lag - neben einem erheblichem Rückgang der Anzeigenkunden - offensichtlich im Abonnentenschwund bzw. in einem Mangel an Abonnenten, wie Theodor Eichberger in seinem Schreiben des Frl. Leonore Dusterklang an die Herausgeber des "Schwewwel" in der letzten Nummer des "Schwewwel" ironisch durchblicken lässt.
Im Register des Mainzer Schwewwel sind die Beiträge mit ihren Verfassern in allen 66 Ausgaben des Mainzer Schwewwel aufgelistet.
Sämtliche Ausgaben des Mainzer Schwewwel sind in digitalisierter Form beim rheinland-pfälzischen Digitalisierungsportal dilibri verfügbar.