Epilog zur Enthüllung des Boudin-Denkmals
Am 31. Oktober 1875 fand die Enthüllungsfeier in würdigster Weise statt. Die zahlreichen Theilnehmer (ganze Gewerkschaften mit Fahnen, Gesangvereine und das Musikcorps der städtischen Feuerwehr) begaben sich gegen 11 Uhr Vormittags zur Grabstätte des Verewigten, woselbst Choräle und Grablieder gesungen und gespielt, von dem Bürgermeister der Stadt die Enthüllungsrede gehalten und von einem Schüler (Herrn Th. Eichberger) nachstehender, selbstverfasster Epilog vorgetragen wurde, dem die Bekränzung des Denkmals durch das Schüler-Comité folgte.
Epilog
Wir sind zu einem großen, hehren
Und würdigen Moment vereint
Wir
sind versammelt hier, zu ehren
Den Lehrer und den Jugendfreund!
Den
Mann, der stets mit Fleiß und Mühen
Den Pfad des Guten uns gezeigt!
Der
tücht'ge Menschen wollt' erziehen
Auf daß die Noth der Armuth fleucht.
Er war ein Lehrer sonder Tadel,
Ein ächter Mann der Wissenschaft;
Ein
Ritter war's vom Geistesadel,
Der still bescheiden hat geschafft
Am
großen Werke der Erziehung
Des Volkes zu des Wissens Macht!
Der
stets mit eifrigster Bemühung
Das freie Denken angefacht.
Und ward's ihm übel auch gedeutet,
Dass er gestrebt "Durch
Nacht zum Licht,"
Sein Wirken hat's ihm nie verleidet,
Das
Lehramt schien ihm heil'ge Pflicht;
Denn er war groß in seiner Weise,
Verleumdung
hat ihn nicht befleckt!
Er hatte sich in kleinem Kreise
Des Menschen
höchstes Ziel gesteckt.
Er hing nicht fest am starren Alten,
Der tode Buchstab' war ihm
fremd!
Drum konnt' sein segensreiches Walten
Auch frisch gedeihen,
ungehemmt.
Viel' Bücher hat er nicht begehret,
Das beste Buch,
das war sein Mund!
Und was uns dieses Buch gelehret,
Das lernten
wir aus Herzensgrund.
Ja, gross steht uns noch in Gedanken,
Der schlichte, brave Lehrersmann,
-
Dess ganzes Leben ohne Wanken
Stets war der Jugend zugethan.
Und
ruht er auch in stillem Frieden,
Jetzt aus von seines Lehramt's Müh'n,
Sein
Wirken treibt noch kräft'ge Blüten,
Unsterblichkeit ist ihm verliehen!
Wer so geschafft und so gestrebet,
Und solche edle That gesä't,
Wer
in der Jugend Herzen lebet,
Dess Namen nimmermehr verweht!
Er
tönet fort auf ferne Tage,
Und wenn auch nur in kleinem Kreis,
Er
wird zuletzt zur schönen Sage,
Die man erzählt nach alter Weis'.
Wir aber, denen er die Lehren,
Zum Guten, Braven hat ertheilt,
Wir
wollen liebevoll ihn ehren,
Wenn er auch nicht mehr bei uns weilt.
Wohl
schöner strahlt als tausend Kerzen,
Die Dankbarkeit in lichtem Glanz:
Dem
Lehrer weih'n aus vollem Herzen
Die Schüler diesen Lorbeerkranz!
In: Joseph Boudin. Skizze eines Lebens- und Zeitbildes. Mainz: Wenglein, 1878