Theodor Eichberger (1835-1917)


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Portrait


Gemälde eines Mannes mit Vollbart
Theodor Eichberger
(Portrait nach einem Foto von 1882)

Sohn eines vorübergehend in Mainz stationierten österreichischen Soldaten, wuchs Theodor alleine bei seiner Mutter Martha Brügel auf. Man gehörte der kath. Pfarrei St. Ignaz an, und Theodor besuchte 1841 bis 1849 die Pfarrschule St. Ignaz in der Zuchthausgasse (die heutige Weintorstraße). 1849 ging die Mutter die Ehe mit dem Steinmetz Haber ein; durch die schöpferische Tätigkeit des Stiefvaters wurde Theodor in seiner Jugend dergestalt geprägt, dass er nach dem Abschluss der Volksschule die Bildhauerei erlernte.

Theodor Eichberger lebte als Holzbildhauer in Mainz.

Doch die Zeiten waren schlecht, auch für Bildhauer. An den Lasten und Entbehrungen des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 hatte die Bevölkerung schwer zu tragen. In dem 1871 gegründeten deutschen Kaiserreich setzte nach kurzer wirtschaftlicher Blüte dann im Jahre 1873 eine lange Wirtschaftskrise ein, die durch Kaufkraftschwund, Preisverfall, Lohnsenkungen und Massenentlassungen gekennzeichnet war: die sog. „Große Depression“, die bis 1895 andauern sollte. Zu alledem bürdete der Kanzler Bismarck einfallsreich den Bürgern ständig neue und immer höhere Abgaben auf.

Um 1870 war Theodor Eichberger nicht nur als Bildhauer tätig, sondern er wird im Mainzer Adressbuch auch als „Kaffeewirth und Garkoch“ geführt. Garküchen waren Lokale, in denen man für kleines Geld speisen konnte, ohne Trinkzwang; manche boten zusätzlich auch Kaffee an. Aus dem Erbe seines Großvaters besaß Th. Eichberger ein Häuschen in Mainz, das er zwecks Lebensunterhalts vermietete. Im Laufe des Jahres 1875 verlegte er seinen Wohnsitz von der beengten Festungsstadt Mainz in das ländliche Seligenstadt am Main, wo er ein Anwesen erwarb, in dem er fortan eine „Schuhwaaren-Handlung“ betrieb. Die Bildhauerei betrieb er fortan mehr zum Hobby; wahrscheinlich sind die meisten seiner heute noch erhaltenen Schreiner- und Schnitzarbeiten in den Jahren nach 1875 in Seligenstadt entstanden.

Er war aktives Mitglied in einer Reihe von Vereinen, in erster Linie in Carnevals-, Musik-, Gesang- und Turnvereinen, auch im „Schutzverband Mainzer Haus-Eigentümer“ und in Seligenstadt u.a. im „Radfahrer-Club“ sowie in dem sog. „Cigarrenabschnitt- und Pfennig-Sammelverein“; hiervon zeugen neben seinen gesammelten Zeitungsausschnitten auch all die Eintrittskarten und Programmhefte von Sitzungen und Feierlichkeiten, die er aufbewahrt und hinterlassen hat. Im Jahre 1881 wurde er auch zum Geschworenen am Großherzoglichen Landgericht der Provinz Starkenburg in Darmstadt gewählt. Aus dem Jahre 1898 existiert ein Wahlaufruf, in dem Theodor Eichberger als „Privatier“ für eine Wahl kandidiert.

Bereits im Alter von 19 Jahren begann er 1855 Erzähungen und Gedichte zu verfassen, die damals im Mainzer Anzeiger veröffentlicht wurden. Eine seiner großen Vorlieben war der Humor. Th. Eichberger galt seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts als ein allseits geschätzter Humorist und Fastnachter in Mainz, dessen Ambition in der politischen Satire lag. In den humoristischen Beiblättern der Mainzer Tageszeitungen hatte er über Jahrzehnte hindurch eigene Rubriken, in denen er die Lokalpolitik, Modeerscheinungen, aktuelle Ereignisse des Mainzer Stadtlebens wie auch das staatspolitische Geschehen im Kaiserreich glossierte. Zwischen Oktober 1876 und Dezember 1877 gab er selbst eine Satirezeitschrift heraus, den Mainzer Schwewwel. Auch als Einwohner Seligenstadts blieb er seiner Geburtsstadt Mainz stets verbunden – schon allein der Fassenacht wegen. Durch Mainzer Tageszeitungen hielt er sich über das Geschehen in der Stadt am Rhein informiert, und bis ins Jahr 1912 sandte er seine humoristischen Beiträge an die Redaktionen in Mainz, wo sie dann veröffentlicht wurden.

Zu zahlreichen Feierlichkeiten verfasste Theodor Eichberger Lieder, Festprologe oder Eröffnungsreden, die er bei den betreffenden Anlässen meist auch selbst vortrug. Dazu zählten Gedichte wie auch ganze Festprogramme zu Vermählungen oder etwa der Epilog zur Einweihung des Lennebergturms und ein im Mainzer Anzeiger erschienenes Gedicht zur Eröffnung des Hauptbahnhofs 1884.

Zum Erfolg seiner – meist in lyrischen Versen abgefassten – Vorträge und Glossen trugen neben dichterischem Talent auch eine scharfe Weltsicht sowie seine Belesenheit bei. Als Großbürger war Theodor Eichberger humanistisch gebildet, bis ins Alter lernbereit und dem Neuen gegenüber aufgeschlossen: mit über 60 Jahren nahm er bereits zum Ende des 19. Jh. die vereinheitlichte Rechtschreibung nach Duden an, die dann im Jahre 1902 per Gesetz als verbindlich erklärt wurde. Auch bei der Erziehung seiner Kinder legte er hohen Wert auf Bildung. Dies war unverkennbar der Einfluss seines Volksschullehrers Joseph Boudin, den er sehr verehrte und dem wir daher hier ebenfalls ein Denkmal setzen wollen. Th. Eichberger besaß u. a. sämtliche Werke von Goethe, Schiller und Shakespeare, die er mit handschriftlichen Kommentaren und – zu seiner schnelleren Orientierung – mit tiefergehenden Inhaltsverzeichnissen versah. In seinen humoristischen Gedichten und Vorträgen setzte er, in Maßen dosiert, hin und wieder Zitate und Paraphrasen aus den Werken der Klassiker ein; so konnte er nicht umhin, mit Goethes Worten „Cultur, die alle Welt beleckt“ ironisch die abträglichen Folgen deutscher Kolonialversuche für das Leben der Einwohner Afrikas zu kommentieren.

Theodor Eichberger arbeitete vorzugsweise an seinem Stehpult, und den Berichten seiner Kinder zufolge durfte er unter keinen Umständen gestört werden, wenn er an seinem Pult stand.

Dass der Mainzer Urnarr auch im fortgeschrittenen Alter – und weitab von Mainz – noch den Carneval in gebührender Weise zu feiern verstand, das dokumentiert ein Großherzoglicher Strafbefehl vom Januar 1904 wegen einer „Übertretung der Feierabendstunde“.

In religiösen Dingen war Theodor Eichberger unkonventionell. Die Beschlüsse des Vatikanischen Konzils von 1870, welche die Unfehlbarkeit des Papstes und die höchste Jurisdiktions-Gewalt des Papstes über die ganze Kirche proklamierten, lehnte er durchweg ab. Handlungsweisen und Ansichten der römisch-katholischen Kirche erachtete er als nicht zeitgemäß. Er schloss sich daher den in den 70er Jahren aufkommenden Altkatholiken an; auch hielt sein katholisches Glaubensbekenntnis ihn nicht davon ab, die Ehe mit einer der evangelischen Konfession zugehörigen Frau einzugehen.

Theodor Eichberger verstarb am 3. Mai 1917 im Alter von 81 Jahren in Seligenstadt am Main.

Ein altes Foto von einem Friedhof
Das Grab Theodor Eichbergers auf dem Friedhof von Seligenstadt (Bildmitte)

Das Foto vom April 1920 zeigt den Seligenstädter Friedhof; in der Bildmitte befindet sich Theodors Grab. Auf einem kleinen Marmorsockel stand ein mannshohes, überdachtes und mit kunstvollen Schnitzereien versehenes Holzkreuz. Dahinter ragt die Einhardsbasilika von Seligenstadt empor; auf der Spitze ihres Hauptturms befindet sich die Statue des Erzengels Gabriel von 1743, zu deren Restaurierung 1879 Th. Eichberger eine Rede verfasst hat.

Unter Nutzbarmachung der Errungenschaften des technischen Fortschritts veröffentliche ich an dieser Stelle Teile des literarischen Schaffens meines Ururgroßvaters, die mir bedeutsam erscheinen. Die Quellen bestehen u.a. aus seinen gesammelten Zeitungsausschnitten, in denen er – zumeist lobend natürlich – als Dichter und Redner auf vielerlei Festlichkeiten und insbesondere zur fünften Jahreszeit erwähnt wird. Die ausgeschnittenen Zeitungstexte hat er zusammen mit einigen Programmheften und Abdrucken seiner Vorträge, Glossen, Gedichte und Lieder in ein Büchlein geklebt, welches inzwischen über vier Generationen weitergereicht wurde, begleitet von einer gebundenen Gesamtausgabe des Mainzer Schwewwel nebst zwei Kartons mit weiteren Unterlagen, Zeitungen, Zeitungsausschnitten, Manuskripten, Fotografien und Briefen.

Die Widmung zu Beginn der Sammlung von Zeitungsausschnitten
Zur Erinnerung.

Die Blätter haben's manchmal referirt,
Wenn ich in Scherz und Ernst poetisirt;
Ich hab's, weil selbst ich Spaß dabei erlebt,
Mir zur Erinnerung in dies Buch geklebt,
Damit ich schwarz auf weiß gedruckt kann lesen,
Daß ich gar oft ein rechter Narr gewesen.

Juni 1879.

Th. Eichberger


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