Theodor Eichberger (1835-1917)


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Am Allerseelentage.

Von Th. Eichberger.

Am Tage Allerseelen zieht uns ein frommer Sinn
Zur stillen Ruhestätte der Heimgegang'nen hin;
Da sind des Friedhofs Räume - welch wunderbares Bild! -
Mit Lebenden und Todten gleich zahllos angefüllt.

Es ist das Fest der Todten, das trauernd wir begehn,
Der Lieben zu gedenken, nach ihrem Grab zu sehn;.
Und wenn sie auch schon ruhen, in ihrem engen Haus,
Reicht Treue doch und Liebe noch über's Grab hinaus.

Da beugt sich eine Mutter so liebevoll hinab
Mit Blumen reich zu schmücken das treu gepflegte Grab.
Sie ordnet still die Kränze, indes die Thräne rinnt,
Dann betet sie so innig für das entschlaf'ne Kind.

Dort geht gebeugt ein Vater mit seiner Kinderschaar,
Am Grab der theuren Gattin, die ihm sein Alles war.
Und schwere Seufzer ringen sich aus des Mannes Brust,
Die Gattin fehlt und Mutter - o doppelter Verlust!

Um's Grab der Eltern stehen die Waisen still herum,
Sie zierten, wenn auch dürftig, und gruben selber um
Das arme Stückchen Erde, das all ihr theures deckt,
Der Wind spielt mit den Lichtlein, die sie darauf gesteckt.

Zum Denkmal uns'rer Söhne, die in der Jugendkraft
Die mörderische Kugel des Kriegs hinweggerafft,
Zieht's uns an diesem Tage mit liebevollem Trieb;
Ein treues Angedenken ist alles was uns blieb.

Dem feindlich wir begegnet einst in der Gegner Reih'n,
Den wir selbst bitter haßten im Kampfe der Partei'n -
Wir stehen an seinem Grabe, wir sehen ihn im Geist,
Ein Wort entfährt den Lippen, das, ach! "Versöhnung" heißt. -

Von Liebe und Versöhnung, welch wunderbares Bild,
Sind heute auf dem Friedhof die Lebenden erfüllt!
O daß dies schöne Bild sich nicht täglich zeigen mag -
Wär öfters doch im Jahre ein Allerseelentag!

Theodor Eichberger: Am Allerseelentage.
In: Seligenstädter Anzeiger Nr. 86 vom 1. November 1879

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