Schwewwel auf dem Kriegs-Schauplatze (II.)
(Original-Bericht von unserem Kriegs-Reisenden.)
[Von Th. Eichberger]Wanns-Wohris bei Suchum-Kaleh
Die
vielsagende Persönlichkeit, welcher ich in meinem Schreiben aus Glaabsnor
erwähnte, war niemand anders, als ein geh. Cabinetscourier an Sr. Majestät
den Sultan. Er sauste in fliegender Eile in der Richtung nach Konstantinopel
und donnerte mir nur, als er mich erkannte, das eine Wort zu: "Batum!"
- Ich wußte genug und verlegte sogleich mein Hauptquartier nach
Lüjed-Eiwel in der Nähe von Batum, um die gemeldete Schlacht in möglichst
ungefährlicher Nähe zu sehen.
Leider
hatte ich mich getäuscht, denn als ich im "Sunne-Hotel", einem
von Gelehrten, Literaten und Künstlern besuchten Vergnügungsort, abstieg
und dem Wirth ein siegestrunkenes "Esmid Batum" zurief, erwiderte
er lächelnd in seiner freundlichen, leutseligen Weise: "Dmschus! Batschul!"
was aus der Lokalsprache in's Deutsche übersetzt ungefähr heißt: "Nix
nutz! Alte Hüt'!" Er hatte Recht, denn in demselben Moment ertönten
aus der gegenüberliegenden türkischen Kaserne gewaltige Trompetenstöße.
Ein martialischer Trompeter betrat die Straße und trompetete den Land- und
Seesieg von Suchum-Kaleh in die Welt hinaus. Batum war bereits veraltet.
Die Aufregung über diesen neuen Sieg der Türken war ungeheuer. Ein wohlgenährter
Berliner Berichterstatter, welcher in neuester Zeit mit den Russen sympathiesirt,
weil dieselben das ultramontane schwarze Meer "runterkriegen"
wollen, mußte sich's gefallen lassen, daß ihm ein, auf seinen baumwollenen
Regenschirm gestützter, englischer Reporter höhnisch zurief: "Nanu?"
Einen
Nachkommen jener tüchtigen Matrosen, welche den verflossenen Ruhm Englands
bilden, begeisterte die Nachricht zu rumvollen Thaten und er versicherte
Jedem, der es hören wollte, daß er's noch zum türkischen Vice-Admiral bringen
würde. - Für mich war, der Concurrenz wegen, an diesem Platze kein Geschäft,
und ich machte mich auf, da mein Musterkoffer noch gepackt war, um Suchum-Kaleh
aufzusuchen.
Da
ich aber auf dem Landwege die türkischen und russischen Vorposten hätte
passiren müssen, so wählte ich das schwarze Meer um hinüber nach Rußland
zu schiffen, wobei ich die Bemerkung machte, daß es eigentlich nicht so
schwarz ist, als sein Ruf. Es war keine unnöthige Vorsicht, daß ich, um
den vielen russischen Torpedöser auszuweichen, allein in einem neutralen
Einmaster fuhr, denn ich lief glücklich in der Bucht von Wanns-Wohris ein
und war im Lande der russischen Freiheit und Cultur!
Das Erste, was ich bemerkte, war ein dem Todtschießen glücklich entgangener russischer Armeelieferant, der anscheinend ein recht glattes Geschäft gemacht hatte. "Der Krieg hat auch sein Gutes", sagte der würdige Mann und eilte in ein anderes Land, um auf einem besseren Schlachtfelde neue Siege zu feiern.
In: Mainzer Schwewwel, II. Jg, Nr. 21 vom 27. Mai 1877